11.03.2019
Brüssel/Wien, 11. März 2019 – Staats- und Regierungschefs aus aller Welt werden in den kommenden Tagen (12.-14. März) zur dritten Syrien-Konferenz in Brüssel erwartet. Die Konferenz findet kurz vor dem traurigen 8. Jahrestag des Kriegsbeginns am 15. März statt. Der Konflikt in Syrien gilt inzwischen als größte humanitäre Krise seit Jahrzehnten. Mehr als 6 Millionen Menschen sind im eigenen Land auf der Flucht, 5,6 Millionen leben im Ausland. Nach wie vor ist Syrien kein sicheres Land.
World Vision fordert die teilnehmenden Vertreter von Staaten und Organisationen dazu auf, der Sicherheit und dem Wohlergehen von Kindern und Zivilisten weiterhin oberste Priorität beizumessen.
„Syrische Kinder – sowohl die, die noch im Land leben, als auch jene, die geflohen sind – glauben, die Welt hat sie vergessen. Nach wie vor kommt es jeden Tag zu schwerer Gewalt gegen Kinder. Es ist eine schreckliche Realität, die schon viel zu lange andauert”, sagt Marc-André Hensel, Leiter der Syrienhilfe von World Vision.
8 Jahre Gewalt und Krieg haben tiefe Wunden im Leben der Kinder hinterlassen. Schwere Verstöße gegen die Rechte von syrischen Kindern umfassen die Rekrutierung als Kindersoldaten, Tötung und Verstümmelung, Entführung sowie sexuelle Gewalt. Tausende wurden durch den wahllosen Einsatz von Gewalt getötet. Krankenhäuser und Schulen wurden angegriffen und zerstört, Kindern und ihren Familien wurde der Zugang zu Hilfe verweigert. Zudem ist das Risiko, durch Minen oder andere Kriegsreste verletzt zu werden, in vielen Gebieten hoch. Leben in Frieden – für syrische Kinder noch ein weit entfernter Traum.
“Die Konferenz in Brüssel ist eine Gelegenheit zu zeigen, dass die Welt nicht wegschaut. Genug ist genug. Aber es muss zu konkreten Ergebnisse kommen, damit sich das Leben von diesen notleidenden Kindern wirklich verändert”, so Hensel weiter. Es müsse konkrete Zusagen für die Linderung von akuter Not, Anstrengungen zur Beendigung von Gewalt, aber auch mehr Programme zur Verbesserung ihrer Entwicklungschancen geben.
Das Youth Resolve Projekt – junge Syrerinnen und Syrer in Brüssel
World Vision unterstützt gemeinsam mit anderen Organisationen Initiativen von jungen Syrerinnen und Syrern in dem von der EU geförderte Projekt „Youth Resolve“. Bereits nach einem Jahr zeigen sich positive Ergebnisse in Schulen, Einrichtungen von Kommunen und bei Zugängen zu Ausbildungen. Die 26-jährige Israa Al Hassan engagiert sich in dem Projekt. Sie floh mit ihrer Familie in den Libanon, als ihr Haus in Syrien angegriffen wurde – bereits kurz nach Kriegsbeginn. Sie erinnert sich noch an ihre Ankunft: „Kein Zuhause, keine Ausbildung, keine Arbeit und auch keine Akzeptanz von den Menschen um uns herum, nur weil wir Syrer sind." Israa hatte das Glück, einen Abschluss machen zu können, und hilft nun Flüchtlingen bei der Integration in ihre neue Gemeinschaft. In Brüssel wird Israa zusammen mit jungen Libanesen und Jordaniern den Dialog mit politischen Entscheidungsträgern suchen.
Umfrage zu Ängsten und Träumen von syrischen und österreichischen Kindern
World Vision befragte syrische Kinder in Jordanien und im Libanon über ihre
Ängste und Träume. Fast 60 Prozent der befragten Kinder äußerten Ängste um ihre persönliche Sicherheit oder fürchten, dass sie ein Familienmitglied verlieren könnten. Die Zahlen sind fast identisch mit einer ähnlichen Umfrage aus 2017.
Viele der Kinder können sich aufgrund der traumatisierenden Erlebnisse eine baldige Rückkehr nicht vorstellen. So auch Habiba, 10 Jahre: „Ich habe Angst, nach Hause zurückzukehren … Was ist, wenn uns eine Bombe trifft? Was ist, wenn meine Geschwister draußen spielen und von einer Bombe getroffen werden?"
83% der befragten syrischen Kinder und Jugendlichen träumen von einem bestimmten Beruf und Zukunftschancen. Sara, 15 Jahre: „Mein größter Traum ist es, zu lernen und zu studieren, um Ärztin zu werden – Menschen zu behandeln und zu heilen. Aber wegen des Kriegs in Syrien konnte ich diesen Traum nicht verwirklichen. Auch hier in Jordanien ist mein Traum noch immer, weiter zur Schule zu gehen. Aber ich musste damit aufhören und arbeiten, um meine Familie zu unterstützen."
Um Ängste und Träume zu vergleichen, befragte World Vision auch Kinder zwischen 5 und 15 Jahren aus Australien, Asien und Europa, darunter Österreich. Unabhängig von Ort und Umständen gab es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Für syrische Kinder sind die geäußerten Ängste jedoch viel unmittelbarer.
Was durch die Umfrage ersichtlich wird, ist eine Abkehr von dem, was man als typische Kindheitsängste bezeichnen würden. Weltweit erzählten Kinder, dass sie sich Sorgen um Krieg und persönliche Sicherheit (30%) sowie um Klimawandel (4%) machen. Die Träume der Kinder waren weltweit sehr ähnlich, viele sprachen davon, einen guten Beruf zu bekommen (37%), Liebe und Glück zu finden (16%) sowie Kriege zu beenden und den Klimawandel zu stoppen (14%).
Bei der Umfrage in Österreich waren die größten Wünsche der befragten Kinder diese: einen guten Job zu finden, Liebe und Glück im Leben sowie das Beenden von Krieg und Klimawandel. „Ich wünsche mir, dass alle Menschen auf der Welt eines Tages ein gutes Leben haben, ohne Kriege. Und dass der Klimawandel gestoppt wird“, so Paula, 14 Jahre.
Bei den Ängsten wurden in Österreich diese am häufigsten genannt: ein Familienmitglied zu verlieren, Angst vor Krieg und Gewalt sowie Angst vor bestimmten Tieren. Wie auch Laurenz, 7 Jahre: „Ich habe am meisten vor Vogelspinnen und Weberknechten Angst.“
INTERVIEWMÖGLICHKEIT:
Marc-André Hensel steht in Brüssel für Interviews (auf Deutsch und Englisch) zur Verfügung.
Bitte um Anfrage an Tanja Zach, 0664-833 94 11 oder tanja.zach@wveu.org
Fotomaterial kann auf Anfrage gerne zur Verfügung gestellt werden.
BACKGROUND:
- Allein in Syrien benötigen über 11,7 Millionen Menschen humanitäre Hilfe, davon 5 Millionen Kinder. World Vision unterstützte im vergangenen Jahr mehr als 1,2 Millionen Menschen, etwa die Hälfte davon Kinder im Libanon, in der Türkei, in Jordanien und Syrien.
- Youth Resolve ist ein von der EU finanziertes Programm, das von 5 Nichtregierungsorganisationen durchgeführt wird: World Vision, CAFOD, Questscope, Generations for Peace und Islamic Relief – zur Unterstützung junger Menschen in Jordanien, Libanon und Irak. Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.wvi.org/world-vision-european-union/video/youth-resolve
- Link zum Online-Feature mit den Ergebnissen der vergleichenden Umfrage „Fears and Dreams“ inkl. Video: www.wvi.org/fearsanddreamscontinued
- Die Printversion des Berichts „Fears and Dreams“ findet sich hier (Details zur Umfrage zu Träumen und Ängsten finden sich auf den Seiten 15 und 16).
- Das Empfehlungspapier von World Vision zur Konferenz in Brüssel stellen wir Ihnen gern auf Anfrage zur Verfügung.