Klimawandel verschärft Konflikte, Hunger und Flucht in ärmsten Ländern
Wien, 28.11.2023 – Ein im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP28 veröffentlichter Bericht der internationalen Hilfsorganisation World Vision zeigt auf, wie Menschen in stark betroffenen, ärmeren Regionen des globalen Südens den Zusammenhang zwischen Klimawandel, Konflikt, Hunger und Vertreibung erleben. 86 Prozent der in neun Ländern befragten Menschen haben bereits mit den Auswirkungen zu kämpfen. 60 Prozent geben an, dass der Klimawandel Konflikte in ihrem Umfeld verschärft, 99 Prozent, dass es zu klimabedingter Vertreibung und Flucht kommt.
"Diese Erhebung verdeutlicht die Folgen jahrzehntelanger Untätigkeit seitens der internationalen Gemeinschaft“, erklärt Mary Njeri, die Direktorin für Hungerprojekte bei World Vision. „Es ist dringend erforderlich, dass sich die Staaten nun zu ernsthaften und tiefgreifenden Maßnahmen bekennen. 2023 könnte das wärmste Jahr in der Messgeschichte werden. Der Klimawandel verschärft eindeutig gewalttätige Konflikte und Hunger. Er zwingt immer mehr Menschen, ihre Heimat zu verlassen, auf der Suche nach Weideland, Nahrung und Sicherheit."
„Am stärksten trifft es die Kinder. Für Kinder bedeutet dies den Verlust ihrer Freunde und oft auch den Abbruch ihrer schulischen Ausbildung“, ergänzt Fiona Uellendahl, Expertin für Ernährungssicherung bei World Vision Deutschland.
80 Prozent der Befragten sind aufgrund des Klimawandels mit einer schlechteren wirtschaftlichen Situation konfrontiert. Etwa 60 Prozent sehen sogar ein erhöhtes Hunger-Risiko. Die Auswirkungen des Klimawandels setzen vor allem Bauern und Hirten zu. Gerade sie müssen nach neuen Möglichkeiten suchen, um ihre Familien weiterhin versorgen zu können. Dadurch wiederum erhöhen sich die sozialen Spannungen in ihren Gemeinden.
Fast einhellig wurde angegeben, dass der Klimawandel zu ungewollter Migration führe - entweder mit Klimaflüchtlingen, die in ihre Gemeinde kommen oder solchen, die sie verlassen müssen. Mehr als ein Drittel der Befragten (35 Prozent) gab an, in den letzten 12 Monaten eine Form von Konflikt erlebt zu haben, der um Land oder Wasser entstanden war (27 % bzw. 20 %).
Njeri warnt in diesem Zusammenhang vor weiteren negativen Folgen für Umwelt und Klima: "Wenn Konflikte aufflammen und Menschen vertrieben werden, greifen sie erst wieder zu negativen Bewältigungsmechanismen, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Fast ein Drittel der Menschen gab an, dass es zu einer Zunahme der Abholzung kam. Der Rückgang der Ernteerträge hat die Menschen dazu veranlasst, nach neuem Land für den Anbau von Nahrungsmitteln zu suchen oder sich dem Bergbau zuzuwenden, um ihre Familien versorgen zu können."
„Die Industrie-Nationen müssen endlich ihre Versprechen zur Klima-Finanzierung einhalten. Die Menschen des Südens brauchen Unterstützung, um sich auf den Klimawandel einstellen zu können. Die Umwelt darf nicht noch weiter zerstört und Konflikte dürfen nicht weiter verschärft werden. Jedes Land muss seinen Teil dazu beitragen, muss die Emissionen begrenzen und den Temperaturanstieg möglichst unter 1,5 °C halten. Wir sind es unseren Kindern schuldig, den Planeten zu schützen. Wenn wir das nicht tun, wird die Welt nicht nur wärmer, sondern auch blutiger und hungriger."
Über den Bericht:
Die Untersuchung basiert auf einer Befragung von 2.716 Menschen in neun Ländern, in denen World Vision tätig ist. Der Report zeigt, dass klimabedingte Konflikte, Vertreibungen und Ernährungsunsicherheiten bereits stattfinden, und zwar in einem breiteren Spektrum von Kontexten als gemeinhin angenommen.
Für die Befragung wurden World Vision-Länderbüros aufgrund der Kapazitäten, des Engagements im Bereich Klima, Konflikte und Hunger sowie ihrer geografischen Verteilung ausgewählt. Jedes Länderbüro wählte eine bestimmte Region innerhalb seines Landes aus. Die Ergebnisse sollten daher nicht für alle Länder verallgemeinert werden, sondern nur für die jeweiligen Gebiete:
Centre Est in Burkina Faso, Haut Katanga und Lualaba in der Demokratischen Republik Kongo (DRK), Anbar im Irak, Bougainville in Papua-Neuguinea (PNG) und Puttalam in Sri Lanka. Die Ergebnisse aus einer Reihe städtischer, ländlicher und indigener Gemeinden in El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua werden als Trockenkorridor zusammengefasst.
Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick:
- 86 % der Befragten sind der Meinung, dass der Klimawandel ein ernstes Problem für ihre Region und 83 %, dass der Klimawandel ein ernstes Risiko für sie und ihre Familien darstellt.
- Die häufigsten Befürchtungen betrafen Dürren (57 %), veränderte Niederschlagsmuster (48 %) und Hitzewellen (42 %).
- 60 % waren der Meinung, dass der Klimawandel die Konflikte in ihren Gemeinden verschärft.
- Auf die Frage nach der Ursache von umwelt- und klimabedingten Konflikten in ihrer Gemeinde gaben 38 % an, dass diese auf Wasserknappheit zurückzuführen seien. Korruption (20 %) und Vertreibung (17 %) waren die nächsthäufigsten Antworten.
- Die Befragten stimmten fast ausnahmslos zu (99 %), dass der Klimawandel zur Vertreibung aus oder in ihre Gemeinde führt.
- 82 % der Befragten stimmten der Aussage „Der Klimawandel verschlechtert meine wirtschaftliche Situation" zu.
- Auf die Frage, wie sie durch den Klimawandel beeinträchtigt werden, nannten 72 % der Befragten Auswirkungen, die mit dem Lebensunterhalt zusammenhängen, darunter „Verlust von Lebensgrundlagen", „weniger Weideland", „ Ernteausfälle" und „Schwierigkeiten beim Zugang zu Wasser/Nahrung".
- Mehr als die Hälfte (51 %) der Befragten gab an, dass der eingeschränkte Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser eine der Hauptauswirkungen der Klimagefahren sei, während 57 % voll und ganz zustimmten, dass der Klimawandel das Risiko von Hunger/Ernährungsunsicherheit erhöhe.
Link zum Bericht:
WorldVision_Bericht_Rising_Storms_2023.pdf